Die DHBW Stuttgart und Ernst & Young, die seit vielen Jahren eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit verbindet, nahmen die umfangreiche Reform des deutschen Bilanzrechts zum Anlass, deren Umsetzung in der Bilanzierungspraxis mittelständischer Konzerne im Jahr 2010 zu untersuchen.

In der Studie wird systematisch erhoben und ausgewertet, wie bei den Kernthemen des neuen deutschen Bilanzrechts die neuen Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisvorschriften in der Praxis umgesetzt wurden. Die Befunde zeigen best practices, aber auch Verbesserungspotenziale.

Von Seiten der DHBW Stuttgart begleiteten Prof. Dr. Klaus Hahn und Prof. Dr. Jan Breitweg das Projekt in fachlicher Hinsicht. Das Zentrum für empirische Forschung koordinierte die statistische Auswertung.

„Die Aussagekraft der Konzernabschlüsse nach HGB hat sich mit dem BilMoG eindeutig verbessert“, resümiert Prof. Dr. Oser von Ernst & Young. „Zur verbesserten Transparenz der Abschüsse haben insbesondere die Emanzipation des Handelsrechts vom Steuerrecht, die Abschaffung der Aufwandsrückstellungen, die realitätsnähere Bewertung von Rückstellungen, insbesondere Pensionsrückstellungen, und die umfassendere Konsolidierung von Zweckgesellschaften beigetragen.“

Da die Bilanz- und Prüfungssaison 2011 vor der Tür steht, war es Ziel der Autoren der Studie, ihre Ergebnisse noch vor der Jahreswende zu präsentieren. „Damit soll die Studie auch zur Entwicklung von best practices der Bilanzierung nach dem neuen HGB beitragen“, hofft Prof. Dr. Wollmert von Ernst & Young.

Bemerkenswert ist, dass die untersuchten Konzerne das Angebot des Gesetzgebers, sich internationaler zu präsentieren, kaum genutzt haben. So haben beispielsweise nur fünf der 132 Konzerne, also nicht einmal vier Prozent, das Wahlrecht in Anspruch genommen, selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens zu aktivieren. Dabei geht es in erster Linie um Entwicklungskosten, die in einigen Branchen (zum Beispiel Automobilindustrie, Maschinenbau, Pharma etc.) von erheblicher Bedeutung sind. Professor Breitweg vermutet dahinter vor allem Kostengründe: „Um die F&E-Kosten eines einzelnen Produkts zu ermitteln, bedarf es eines eigenen Projektcontrollings, das nicht zum Nulltarif zu haben ist.“ Ein weiterer Grund könne laut Breitweg sein, dass die Banken eine Aktivierung von Entwicklungskosten im Rahmen eines Ratings nach Basel II sehr skeptisch beurteilen.

Bedauerlich ist auch, dass ca. 2/3 der untersuchten Konzerne keine Bewertungseinheiten (hedging) bilden, obwohl die Risiken abgesichert wurden. Damit bilden die Konzerne Verluste in ihren Bilanzen ab, die realiter nicht existieren. „Offensichtlich scheuen die Unternehmen den Aufwand für die Dokumentation und die Beurteilung der Wirksamkeit (Effektivität) solcher Bewertungseinheiten. Teils sind kleinere Unternehmen ggf. auch schlicht überfordert“, vermutet Dr. Eisenhardt von Ernst & Young.

„Die latenten Steuern waren und sind die größte Herausforderung im BilMoG“, befindet Professor Hahn. Als Hemmschuh für die Bilanzleser erweisen sich die zahlreichen Wahlrechte, die der Gesetzgeber beim Ausweis latenter Steuern eröffnet hat: „Darunter leidet die Transparenz. Die systematische Auswertung der Abschlüsse sowie zwischenbetriebliche Vergleiche werden erheblich erschwert“. Schließlich moniert Hahn, dass – nicht nur im Zusammenhang mit den latenten Steuern – vorgeschriebene Angaben im Anhang nicht selten unvollständig waren oder gänzlich fehlten. Hier bestehe Verbesserungsbedarf.

Gleichwohl sind die Verfasser von dem Erfolg der Bilanzrechtsreform überzeugt: Das BilMoG hat den Praxistest bestanden. Deshalb bestehe (derzeit) auch keine Notwendigkeit, den „IFRS for SME“, den internationalen Rechnungslegungs-Standard für mittelständische Unternehmen, als Alternative zum BilMoG einzuführen. Das BilMoG eröffne die Chance, sich international gleichwertig zu präsentieren.

Studie als pdf finden Sie hier.

Ansprechpartner:
hahn@dhbw-stuttgart.de
breitweg@dhbw-stuttgart.de